NS-Verbrechen benennen und Opfer entschädigen. Das Hearing begann mit einem Vortrag über Kriegsverbrechen der Reichenhaller Gebirgsjäger auf Kreta und setzte sich kritisch mit der jährlichen Kreta-Feier in Bad Reichenhall auseinander.
NS-Verbrechen benennen und Opfer entschädigen. Angesichts der Zerstörungen, die die Wehrmacht in Kreta und Griechenland anrichtete, stellt sich die Frage hinsichtlich der von Deutschland verordneten Austeritätspolitik: Wer schuldet hier eigentlich wem?
Der 92-jährige Zeitzeuge Nikolaos Marinakis schilderte grausame Details von der Ermordung von 148 Einwohner*innen Skines am 1.August 1941, die nachweislich durch das Gebirgsjägerregiment 100 aus Reichenhall erfolgte. Angesichts der Zerstörungen, die die Wehrmacht in Kreta und Griechenland anrichtete, stellte er unter großem Applaus hinsichtlich der von Deutschland verordneten Austeritätspolitik die Frage: Wer schuldet hier eigentlich wem?
Daran knüpfte Rechtsanwalt Martin Klingner vom AK Distomo an und legte dar, dass höchstrichterliche Urteile griechischer Gerichte zu Individualansprüchen existieren, aber nicht gegen die Bundesrepublik vollstreckt werden. Aristomenis Syngelakis verlas Grußworte der Widerstandsikone Manolis Glezos, der einst die Hakenkreuzfahne von der Akropolis riss und für Syriza zeitweilig im Europäischen Parlament saß. Er schilderte, dass ein Großteil seiner Familie in Vianos durch die Nazis ausgelöscht wurde und welche ökonomische Katastrophe die Zerstörungen anrichteten.
Dem Hearing folgten etwa 130 Menschen, darunter auch Bürger_innen aus Bad Reichenhall und Nachbargemeinden. Bei der anschließenden Demonstration beteiligten sich etwa 150 Menschen. Trotz der massiven Einschüchterung, die von der Polizei ausgegangen ist, haben sich spontan Passant*innen der Demonstration angeschlossen, hunderte Informationsflyer wurden an die Bevölkerung verteilt.
Bewegendster Moment der Demonstration: Aristomenis Syngelakis und Nikolaos Marinakis installieren symbolisch mit einem Vorschlaghammer eine Tafel vor dem Kreta-Gedenkstein. Darauf werden Gräueltaten der Reichenhaller Gebirgsjäger erläutert. Niedergelegt wurde auch ein Kranz mit einer mehrere Meter langen Schleife, auf der die Orte von Massakern der deutschen Gebirgsjäger mit den Zahlen der jeweils ermordeten Zivilist*innen und Gefangenen aufgezählt sind.
Das Bild entstand im Rahmen der antifaschistischen Demonstration am 14.Mai 2016 in Bad Reichenhall. Marinakis stammt aus Skines und überlebte das Massaker des Gebirgsjägerregiment 100 aus Reichenhall als 16-Jähriger. Syngelakis stammt aus Vianos (Kreta), viele seiner Familienangehörigen konnte er nie kennen lernen, weil sie durch Nazis ermordet wurden.
Am 20.Mai 1941 griff die deutsche Wehrmacht die griechische Insel Kreta an, hielt sie bis zum 9.Mai 1945 besetzt und beging dort zahlreiche Kriegsverbrechen.
Über 3.500 Zivilist_innen wurden als angebliche Partisan_innen und deren Unterstützer_innen hingerichtet und über 30 Dörfer komplett zerstört.
Bad Reichenhaller Gebirgsjäger waren an diesen Gräueltaten und Massakern beteiligt. Beispielsweise ist die Zerstörung der Ortschaft Skines und die Erschießung von 148 kretischen Zivilist_innen am 1.August 1941 eindeutig den Gebirgsjägern der 5.Division nachzuweisen.
Neben dem rabatz bündnis selbst sprachen auf Zwischenkundgebungen die 87-jährige Antje Kosemund, Vorstandsmitglied der Stiftung Auschwitz Komitee, Ioannis Charalampakis für die Friedensinitiative Traunstein-Traunreut-Trostberg sowie eine Vertreterin des Arbeitskreises Angreifbare Traditionspflege. In Parolen wurde der Kampf der Partisan*innen gewürdigt und Entschädigungen für Kriegsverbrechen in Skines und anderen Orten Griechenlands gefordert.
Nachstehend Aristomenis Syngelakis bei der symbolischen Zerstörung des Kreta-Gedenksteins in Bad Reichenhall.
Quelle: Infogruppe, www.badreichenhall.tk
Syriza Gruppe München beteiligte sich aktiv und unterstützend an der Hearing-Veranstaltung. Sie unterstützt den gerechten Kampf um Anerkennung und Entschädigung der NS-Opfer.
Für mehr Hintergrundwissen über NS-Verbrechen in Griechenland und Entschädigungsfragen empfehlen wir die nachstehenden Links:
Eberhard Rondholz (Journalist) Albrecht Ritsch (Wirtschaftshistoriker) Karl Heinz Roth (Historiker)
Die Syriza Gruppe München bedankt sich bei Hartmut Heller für die fotografische Dokumentation des Demonstrationszuges:
[gallery_bank type=”images” format=”thumbnail” title=”true” desc=”false” responsive=”true” display=”all” sort_by=”random” animation_effect=”” album_title=”true” album_id=”2″]